Es ist Samstag, der 28. Juli 2018, kurz vor 18 Uhr. Ich liege auf meiner Couch. Meine Füße tun etwas weh und mein Gesicht ist von der Sonne ein wenig verbrannt. Ich kann euch sagen: Ich bin k.o. Aber genau in diesem Moment bin ich auch der glücklichste Mensch der Welt.
Doch spulen wir etwas zurück und beginnen am Anfang dieses Tages. Am Morgen stehe ich auf, werfe mich in mein pinkes Shirt, schnappe mir noch schnell eine Wasserflasche, einen Apfel und ein Brötchen und mache mich mit dem Fahrrad auf den Weg zum Salbker See II. An der Kreuzung zum Salbker See hinunter fährt ein Auto neben mir. Das Fenster geht runter: „Hey Pipo. Heute ist Drachenboot-Cup! Wuuuuuuhuuuu“ Es ist meine Kollegin, die ebenso wie ich in Pink gekleidet ist. Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal eine Pink-Pocahontas, eine Pipo – ja wir lieben Abkürzungen. Noch nicht so ganz wach, wird mir klar, wie lange ich mich auf diesen Tag gefreut habe und ich werde langsam etwas nervös. Bereits von der Straße aus kann ich ein paar der pinken Shirts und das strahlende Lächeln meiner Kolleginnen sehen. Bald sind alle da und laufen wie kleine Ameisen umher, bauen auf und dekorieren. Ich packe auch mit an und in Windeseile ist alles aufgebaut.
Meine Aufregung habe ich in der Zeit schon wieder ganz vergessen. Wir kommen als Team noch einmal zusammen. Alle Ansprechpartnerinnen bekommen einen Luftballon in der Farbe ihres Teams, dem sie den ganzen Tag nicht von der Seite weichen werden. Der Moment ist gekommen: es geht los! Die Ersten kommen auf den Platz und schauen suchend umher. Ich laufe auf sie zu und da schlägt mein Herz wieder schneller. „Hallo und herzlich willkommen. Kann ich euch weiterhelfen?“ Beide gehören zu meinem Team und so zeige ich ihnen alles und setze mich kurz mit ihnen in den Schatten an ihren Teamtisch. Auch sie sind in diesem Jahr zum ersten Mal dabei und etwas nervös. Puuuuh, das nimmt mir ein wenig Aufregung. Nach und nach trudeln auch die anderen Paddler*innen ein und wir können an der Taktik tüfteln. Dann kommen wir zum Kampfspruch, den sich jede Mannschaft für die Vorstellung im Bühnenprogramm überlegt. „Zickezacke, Kinderkacke!“ ist unserer, denn mein Team besteht aus Erzieher*innen und Eltern. Zur Übung rufe ich „Zickezacke“ und das Team „Kinderkacke!“. Das läuft ja schon einmal sehr gut. Nach dem Teamcaptainsmeeting, bei dem die Teamcaptains aller Teams noch einmal gebrieft werden, vergeht die Zeit wie im Flug.
Musik und die Stimme von Bonnie Tyler ertönen:
„Wo sind all die guten Menschen und wo sind all die Götter?
Wo ist der kluge Herkules, um die aufsteigende Ungerechtigkeiten zu bekämpfen?“
Ihre Worte erinnern mich daran, was heute vor allem im Mittelpunkt des Benefiz-Drachenboot-Cups steht: Der Kampf gegen Ungerechtigkeit. Ich blicke in die vielen Gesichter, die sich auf und vor der Bühne versammelt haben und sehe darin ihren Kampfgeist. All diese Menschen haben wir, die Pink Pocahontas – das Ehrenamtsteam der ELTERN-AG – im Boot für Kinder in Not. All diese Menschen haben wir an unserer Seite bei unserem Einsatz für gleiche Bildungs- und Lebenschancen für alle Kinder. All diese Menschen helfen uns dabei, anderen die Augen zu öffnen und für das Thema Kinderarmut zu sensibilisieren. Denn, wie Lars Johansen, der den Benefiz-Cup bereits von Anfang an unterstützt, in diesem Moment sagt: „Und ich denke, ihr wisst es selbst, aber ich sage es nochmal: Kinderarmut ist scheiße!“. Ich bin ein Mensch, der insbesondere seitdem er sich nahezu täglich mit dem Thema Kinderarmut beschäftigt, sehr nah am Wasser gebaut ist und so steigen mir ein, zwei Tränen in die Augen. Doch, wie ihr euch vorstellen könnt, kochen an diesem Tag nicht nur meine Emotionen hoch. Es wird einige Tränen geben – Tränen der Rührung und Tränen des Glücks und der Freude.
„I need a hero!“, singt Bonnie Tyler in ihrem Refrain. Und genau das sind all diese Menschen – sie sind unsere Held*innen! Es sind Held*innen, die den Benefiz-Cup unterstützen, Held*innen, die die ELTERN-AG möglich machen und sich damit für Kinder in Not einsetzen, Held*innen des Alltags, Held*innen als Eltern und Held*innen einfach so, wie sie sind, als Menschen. Sie alle leisten an jedem einzelnen Tag so viel. Sie leisten Unglaubliches im Alltag, in ihren Berufen, in ihren Familien und für uns alle. Sie alle tragen täglich etwas dazu bei, damit unsere Welt ein kleines bisschen besser wird. Sie alle brennen auch heute für den guten Zweck.
BOOM!, POW! – Zwei Banner mit diesen Schriftzügen werden auf die Bühne getragen. Zwei Superheldinnen in Pink reißen diese Banner ein und erobern die Bühne. Auch sie sind Heldinnen im Alltag und in unserem Büro, Heldinnen für ihre Kinder, Neffen und Nichten und auch für mich. Ob ihr Einsatz für die ELTERN-AG, ihre Liebe zum Detail bei all den Vorbereitungen des Benefiz-Cups, jeden Morgen ein Lächeln und ihre Leidenschaft dabei – auch in diesem Moment machen sie mich unglaublich stolz darauf, eine Pink Pocahontas zu sein. Mit viel Kraft, Engagement und etwas positiver Verrücktheit stehen sie für das, was wir sind – Kämpferinnen für Kinder in Not. Sie bringen die Stimmung bei gefühlten 50 Grad zum Kochen und alle sind bereit für die Rennen.
„Bitte cremt euch mit Sonnenmilch ein.“, „Trinkt bitte genug Wasser.“ – Höre ich mich fast schon predigen, weil es so warm ist. Plötzlich stehe ich schon mit meinem Team am Marshalling, besprühe sie mit Wasser aus einer Sprühflasche zum Abkühlen und brülle aus Leibeskräften „Zickezack“ und sie rufen „Kinderkacke!“. Jetzt sind alle bereit für das Rennen und die Spannung steigt immer mehr. In Zweierreihen gehen sie zum Boot und paddeln los. Von der Bühne aus feuern wir Pink-Pocahontas alle Teilnehmer*innen an und das so laut, wie wir können. Die neun Mannschaften geben alles und kämpfen dann in einem großen und kleinen Finale weiter um den Pokal.
Nach den Rennen machen wir ein Gruppenfoto und küren sie dann: Die Sieger*innen des 4. Benefiz-Drachenboot-Cups. Alle, egal, welchen Platz sie belegt haben, sind zufrieden und glücklich, denn heute haben sie sich ganz besonders für Kinder, die in schwierigen Lebensverhältnissen leben, stark gemacht. Ich blicke in strahlende Gesichter und bin ein bisschen wehmütig, dass der Tag so schnell vergangen ist. Nach der Verabschiedung und dem Abbau steige ich auf mein Rad und fahre nach Hause.
Ich lege mich auf meine Couch. Meine Füße tun etwas weh, mein Gesicht ist von der Sonne ein wenig verbrannt und die Haut spannt. Ich kann euch sagen: Ich bin k.o. Ich schaue mir ein paar Fotos an, die ich am Tag gemacht habe, halte bei dem Gruppenfoto inne und denke: Es ist der Wahnsinn, was wir zusammen erreichen können. Über 27.000 Euro haben wir für Kinder in Not gesammelt. Beim Drachenbootrennen kommt es auf Engagement und Ehrgeiz an, doch das Wichtigste ist der Teamgeist. Gemeinsam können wir unserem Ziel näherkommen. Gemeinsam können wir bewegen. Gemeinsam können wir verändern. Und genau in diesem Moment bin ich der glücklichste Mensch der Welt.